Fennesz: Agora | Release-Factsheet

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Release «Agora» von Fennesz.

Fakten

Veröffentlichungsdaten: 2019 03 29
Label: Touch TO:115
Produktion: Christian Fennesz
Genre: Post-Millennial-Music - Digital-Underground - Electroacoustic-Music

Annotationen

Pitchfork Rezensent Mark Richardson macht einen aufschlussreichen Vergleich von vier DJ/Producern, die mit der Listening Techno Welle (IDM) in den 90er Jahren grosse Bekanntheit erlangten: Autechre, Aphex Twin, Tim Hecker und Fennesz. Er führt die Musik dieser vier wichtigen Electronica Produzenten auf Klangbilder von Pop- und Rock Stilrichtungen zurück, die in den 80er Jahren prägend auf sie gewirkt haben. Das ist so einleuchtend, dass man selber hätte drauf kommen müssen, aber zuweilen brauchen die Einsichten die Hilfe versierter und reflektierter Rezensent/-innen sowie ihren gut geschriebenen und aufschlussreichen Rezensionen.
Also: Autechre mit ihrem metallischen Rhythmen kämen vom frühen amerikanischen Electrosound her, vom Streetfunk, Electricboogie oder Oldshool-Hip-Hop (wie immer man dies nennen möchte). Diese Musik war von den damals neuen synthetisch klingenden Rhythmusmaschinen (der Roland TR-808) aus Japan geprägt (hörbar zum Beispiel auf dem hervorragenden Sugar Hill Hip-Hop Box Set).
Aphex Twin habe seine Klänge auf dem kalten und maschinenhaften Techno Sound (und dem «squelching» der Roland TB-303, das Acid geprägt hat) aufgebaut (hörbar z.B. auf dem Detroit Techno Sampler Techno! The New Dance Sound Of Detroit).
Tim Heckers Musik steht mit beiden Füssen im Shoegaze der 80er Jahre (hier kommt mir Loveless von My Bloody Valentine in den Sinn).
Fennesz schliesslich sei durch und durch von der New Romantic Musik der frühen 80er Jahre geprägt, von allem, was auf Roxy Music gefolgt sei. Diese Musik sei aufwändig produziert und in grosse akustische Räume gestellt worden, so dass man den Unterschied von Synthesizern und Gitarren kaum mehr ausmachen konnte. Mit einem der Heroen aus dieser Zeit, mit David Sylvian, dem Sänger von Japan hat Fennesz ja wiederholt zusammen gearbeitet (höre das herausragende Blemish). Eine wirklich empfehlenswerte New-Romantic-Compilation kenne ich nicht, aber die Genre-Seite des Musikzimmers hat einige essentielle Tracks verzeichnet und Youtube hat eine Playlist mit raren New Romantic Tracks).
So jetzt brauchen Sie ein Wochenende, um das alles anzuhören. Wenn ich Sie auf meinem Marktplatz von musikalischen Bezügen dazu verführen kann, zeitgenössische elektronische Musik zu hören, dann hat es sich gelohnt, die Bezüge sichtbar gemacht zu haben. Wenn ich sie nicht verführen kann, so bleibt zumindest die Nostalgie für die Musik der 80er Jahre.
Mit dem neuen Album Agora hat Christian Fennesz ein weiteres ausgezeichnetes Album abgeliefert. Fenneszs Musik muss man sich als übereinander geschichtete New Romantic Klänge vorstellen. Das was im klassischen 80er-Jahre Pop Song im Nacheinander von Songstrukturen geschah, wird hier in Schichten angeordnet – Sounds kommen dazu und gehen wieder weg. Die Musik funktioniert ähnlich wie die von Tim Hecker, der so viel Schichten übereinander baut, dass er eine möglichst hohe Dichte erreicht (muss man live gehört haben, bläst einen weg, ohne dass man das Ohrenpfeifen kriegt!). Fennesz dagegen geht mit dem Anhäufen von Sounds viel sparsamer um. Seine Klänge kommen und gehen in Wellenbewegungen und das ist sein Bezug zu den Beach Boys und dem Surf-Sound.

Personen und Querverweise


Fennesz
Christian Fennesz

Trackliste

1. In My Room - 12:28 2. Rainfall - 11:58 3. Agora - 12:09 4. We Trigger the Sun - 10:29 *Alle Tracks: Christian Fennesz.