Musikzimmer Blog Post: George Melly: Revolt Into Style: The Pop Arts in Britain

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George Melly: Revolt Into Style: The Pop Arts in Britain

George Melly war ein Jazzsänger aus Liverpool und Autor verschiedener kunstgeschichtlicher Bücher. Von 1965 bis 1973 war Melly Fernseh- und Filmkritiker für den «Observer», die linksliberale Sonntagszeitung. In jener Zeit als Journalist ist dieses Buch entstanden, die ersten beiden Kapitel im Sommer und Herbst 1966, dann weiter im Sommer 1967. Als das Projekt ein Jahr lang liegen blieb, während sich die Pop-Welt radikal veränderte, wurde es notwendig, den Anfang zu revidieren. Weitere Arbeiten am letzten Drittel des Buchs folgten im Herbst und Winter 1969. Das Postscript schrieb Melly im Januar 1970 und «Revolt into Style» kam im selben Jahr noch heraus.
Mellys kunstgeschichtliches Interesse galt primär dem Surrealismus. «Revolt Into Style» war das erste Buch, dass die britische Popkultur ernst genommen hat, aber auch kritisch bzw. differenziert beleuchtet.
Der Buchtitel kommt aus einem Gedicht von Thom Gunn, das von Elvis Presley handelt: «He turns revolt into a style» (p. 42/43).
Inhalt
– Introduction: What is British Pop Culture? An Attempt at Definition
– Section One: British Pop Music
– Section Two: Visual Pop
– Section Three: Film, TV, Radio, Theatre
– Section Four: Pop Literature
– Postscript: For My Next Trick
Das Postscript
Das Postscript steht unter dem Motto: «They stopped singing because they remembered why they had started».
Melly stellt fest, dass die Pop-Geschichte aus einer Folge von Wellen oder Bewegungen bestand. Nach ein paar Jahren sei jeweils alles wieder anders gewesen. Eine neue Generation. Ein neuer musikalischer Stil. Die wesentliche Frage sei, ob die Popkultur als Ganzes einen bleibenden Effekt in der Kultur Grossbritanniens hinterlassen habe oder nicht und – falls ja – wie dieser Effekt zu bewerten sei.
Spätestens 1970, als Melly sein Buch abschloss, war es in Grossbritannien nicht zu übersehen, dass Pop und die Tradition einen modus vivendi gefunden hätten. Er berichtet, wie er mit seinem Sohn und zwei Jugendlichen ein Pub auf dem Land aufsucht. Die jungen Leute haben lange Haare und das war bereits völlig akzeptiert. In der Öffentlichkeit wurde es akzeptiert, wenn Paare in wilder Ehe zusammen lebten und sogar Kinder hatten. In den Medien (Theater, Film und TV) zeigten sich Schauspieler nackt. Die Freizügigkeit sei nahezu akzeptiert. Der Konsum weicher Drogen sei zwar nicht legal aber kein grosser Skandal mehr. Es gab indes immer noch Verhaftungen wegen Drogenkonsums.) Es genüge eben nicht, dass die öffentliche Meinung tolerant sei, es brauche die Verankerung im Gesetz. Die Rechte der Homosexuellen wurden 1967 im Sexual Offences Act 1967 festgeschrieben. Vorher gab es eine gewisse Akzeptanz, aber es reichte nicht. 1970 scheine ein Reformismus die revolutionäre Stimmung der früheren Jahre abgelöst zu haben. Es seien Personen in den Feldern des öffentlichen Diensts, also zum Beispiel Lehrer*innen und Krankenpfleger*innen, die die neuen Ideen umsetzen würden. Indes gäbe es immer noch Gruppen, die eine Umkehr zu einer repressiveren Gesellschaft begrüssen würden: Agro-Boys, Puritaner*innen aus der unteren Mittelklasse sowie die autoritäre Oberschicht.
Der scharfsinnige Schlusspunkt von Mellys Buch setzt sich mit einem Defekt der Popkultur auseinandner: Pop sei exklusiv und die Sache der jungen Leute, nicht der gesamten Gesellschaft. Pop agiere anti-intellektuell und anti-traditionalistisch zu Gunsten einer unmittelbaren Kreativität, die sich auf den Instinkt verlasse. [Das ist eine perfekte Beschreibung von Pop in den 1960er Jahren!] Die Gestalt der Rebellion jeder Jugend möge sich in den Details unterscheiden, aber die zugrunde liegende Motivation sei die Ablösung von der Familie. Pop sei eine sehr effektive Art, diese Ablösung zu vollziehen, aber wenn sie vollzogen sei, dann verlöre sie an Impetus. Das zeige sich an John Lennons Performances mit Yoko Ono, die kindisch seien: «His motives are admirable, but his means are childish.» Sich nackt auf einem Plattencover zu zeigen, sei exibitionistisch, nicht revolutionär. Lennon und Ono seien trivialistisch: Sie würden sich vor eine Wand setzen, die dem Fortschritt von Pop im Weg stehe. In dem sie mit dem Rücken zu ihr dort sässen, würden sie so tun als gäbe es sie nicht.
Pop könne nur gerettet werden, indem Pop sich selbst aufgäbe. Das Motto: «Don't blow your mind - use it». Aber mit dem Intellektualismus bringe sich Pop selbst um. Wenn Pop seine Schuldigkeit getan hat, dann muss Pop sich selbst treu sein und sterben. Der Text schliesst mit Zeilen von Roger McGouch (Liverpooler Comedian, Teil von Scaffold):

Let me die a young man's death
Not afree-from-sin, tiptoe-in
Candle-wax-and-waning death 
not a curtains-drawn, by-angels-borne
what a nice way to go death.
Die dialektische Denkfigur (Hegel, Freud, Derrida), die George Melly in seinem Text für Pop verwendet, ist die des Unbewussten oder Vorbewussten, das, wenn es bewusst wird, seinen Status des Unmittelbaren verliert. Pop lebt nur in einer Serie von Wellen aus blinden Kreativitätsschüben.
Quellen
– Wikipedia (en): George Melly

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