Willkommen im Musikzimmer! Dies sind die empfohlenen Inhalte, Neuerscheinungen und Veranstaltungsankündigungen.
Animals: The House Of The Rising Sun
Diese Folkballade über das Leben eines armen Schluckers, der auf den falschen Weg gerät und spielsüchtig wird, wurde von Alan Lomax in den 1930er Jahren archiviert. Er nahm den Song in den Appalachen auf. Bob Dylan griff auf «House of the Rising Sun» zu für die Songsammlung seines ersten Albums. Dave Van Ronk hat den Song arrangiert und Dylan kupferte das Lied offenbar von ihm ab. Die Animals werden den Song von Dylan gekannt haben (wie auch «Baby Let Me Take You Home»).
Eric Burdons Stimmorgan wirkt authentisch für diesen Folkblues. Er heult wie ein Wolf in der Nacht, wenn er beim Singen sein Baritone-Register verlässt und Töne presst und lange anhält (zum ersten Mal bei «and it's BEEN the ruin»; später wird es noch markanter, z.B. im zweiten Verse, wo er das in jeder Stanze zwei Mal macht «Mother» / «was», «sawed» / «new», «father» / «was»).
Arrangement
Der Song weist ein kunstvolles Arrangement für Beat-Band mit Orgel auf. Das ist ebenso untypisch für eine Beat-Band wie es untypisch für einen Folkblues-Song ist. Am Anfang dominiert die Gitarre, die diese ikonische Harmoniefolge mit geborgten Harmonien als Arpeggio spielt. Die Orgel als zweites Lead-Instrument kommt langsam, fast unmerklich ins Spiel, übernimmt aber spätestens im instrumental Verse die Lead-Funktion. Wo das Intro die Gitarre ins Zentrum stellt, da spiekt in der Coda die Orgel die Hauptrolle – es ist als gehörten die beiden Teile zu einer anderen interpretation des Songs oder als hätte ein Gemälde oben und unten, links und rechts einen Rahmen mit anderem Material oder mit anderer Farbe. Der TV-Auftritt (siehe Video-Stream) unterstützt diese Verschiebung der Lead-Rolle in der Band: Die beiden Gitarristen und der Sänger wechseln immer mal wieder ihre Position. Dies visualisiert, was im Arrangement passiert.
Es wurde vielfach darauf hingewiesen, dass das Gitarre-Arpeggio im Intro den Folkrock um ein Jahr vorweg nimmt. Und ja, die Single kommt genau drei Wochen vor A Hard Day's Night von den Beatles heraus, jenem Album, dem die selbe historische Funktion zugeschrieben wird.
Entstehungsgeschichte
Die Aufnahmesession fand an einem frühen Morgen in London statt, nachdem die Animals nach einem Konzert in Liverpool die Nacht drchgefahren sind. Offenbar genügten zwei Takes, da das Stück aus dem Live-Programm der Band stammte. Take 1 wurde die Single. Die Session soll 15 Minuten gedauert haben.
Ungewöhnliche Länge
Die Aufnahme hat die Länge von fast 4,5 Minuten, was damals den Industriestandard sprengte, der noch aus der Zeit der Schellackplatten stammte. Eine Vinylsingle mit ihren «Microgrooves» konnte diese Spieldauer problemlos fassen. In den USA indes wurde die Single wegen den herrschenden Standards fürs Airplay auf zwei Plattenseiten aufgeteilt (siehe gefalteter Song). Der amerikanische Plattenmarkt war zu dieser Zeit offensichtlich völlig vom Top-40 Radio geprägt.
Musik
Der Song ist in A-Moll. Zu dieser Tonleiter gehören die selben Akkorde wie diejenigen der C-Dur Tonleiter (sie sind Paralleltonarten): C, F, G, Am, Em, Dm. Nun hat der Song einen ganz anderen Akkordverlauf mit zwei fremden Akkorden: D und E (statt Dm und Em). Hier werden also Harmonien aus anderen Tonleitern geborgt. Diese machen die repetitive und simple Akkordfolge zu etwas Faszinierendem.
Zudem entsteht stelenweise eine harmonische Unentschiedenheit oder Ambivalenz, wenn die Orgel von Alan Price am Ende von Stanzen Septakkorde spielt, wo die Gitarre in der etablierten Harmoniefolge verbleibt (siehe: Ultimate Guitar).
Quellen
– Gordon Thompson: The British Are Coming: The Summer of 1964
Link zum Inhalt: [M]