Musikzimmer Blog Post: 10cc: Dreadlock Holliday

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10cc: Dreadlock Holiday

Die Engländer waren historisch Kollonialherren im karibischen Raum und die britische Rockszene ging am Ende der 1970er Jahre auf den Inseln ein und aus, was man als postkolonialen Kollonialismus sehen kann, wenn man will. George Martin hatte seine AIR Studio auf Montserrat, Chris Blackwell seine Compass Point Studios in Nassau auf den Bahamas. Die britische Rock Royalty ging zum Aufnehmen gerne ins Dynamic Sounds Studio in Kingston, Jamaica. Der karibische Raum bot eine grossartige Umgebung, Arbeit mit Entspannung zu verbinden sowie Geld anzulegen, um es nicht in der Heimat versteuern zu müssen.
Auf diese Weise waren Szenen vorprogrammiert, die in den Verses von «Dreadlock Holiday» erzählt werden: Der bleiche Engländer, der sich im Hinterland oder auf Nebenstrassen verliert und Bekanntschaft mit einer Gang macht, die ihn ausraubt. Der Hotelgast, der vom Nebengeschäft des Barmans erfährt und profitiert. «Dreadlock Holiday» berichtet von interkulturellen Interaktionen im postkolonial brodelnden Millieu, wobei die heiklen Situationen im Chorus auf humorvolle Weise aufgelöst oder kaschiert werden: Geschickt sprechen die Chorusse die Ambivalenz des Verhältnisses zwischen Einheimischen und Gästen aus: Der Beraubte ärgert sich natürlich und denkt: «Scheiss Jamiaca», sagt es so halb und nimmt es gleich wieder mit einer Umdrehung zurück: «Don't like Jamaica, oh no / I love her». Damit entsteht die typische postkoloniale Vagheit, in der man von der Situation profitiert, wo man kann, und sich durchwurstelt, so gut es geht, ohne wirklich eine Haltung einzunehmen, die sich als genuss- oder geschäftsschädigend auswirken müsste. (Das funktioniert gegenseitig, aus beiden Positionen!)
Freilich kann man, statt dem Song subtilen Humor zu unterstellen, ihn auch für eine auf politische Korrektheit eingestellte Welt disqualifizieren und mit Prädikat «schlecht gealtert» zur Seite legen. Das wäre dann zumindest schade für die Musik, die eines der besten Beispiele von gelungenen Pop-Reggae-Hybriden darstellt.

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